Merkblatt Hunde aus dem Tierschutz
Zur Ankunft des neues Vierbeiners
Vorgeschichte des Hundes
Oft lässt sich nicht nachvollziehen, was die Hunde in Rumänien erlebt haben. Meistens wurden sie von der Straße aufgegriffen (oftmals verletzt, krank oder unterernährt), aus einer Tötungsstation oder schlechter Privathaltung gerettet und manchmal von ihren Besitzern ausgesetzt.
Straßenhunde müssen jeden Tag um ihr Überleben kämpfen! Auf der Suche nach Futter lauern viele Gefahren (Verkehr, Tierquäler, Hundefänger etc.) und natürlich gilt das Recht des Stärkeren.
Viele Hundefänger gehen nicht vorsichtig bei den Einfangversuchen vor, so dass es hier teils zu schweren Verletzungen der Hunde kommt. In den öffentlichen Sheltern/Tötungsstationen herrschen meist katastrophale Bedingungen, die man sich kaum vorstellen kann. Die Hunde sind permanentem Stress und Angst ausgesetzt.
In den privaten Sheltern der Tierschützer gleichen die Bedingungen der eines Tierheimes, aber meist aber auf einem sehr einfachen Niveau.
Dieser Herkunft sollten Sie sich bewusst sein, um Hunde aus dem Tierschutz besser zu verstehen und Ihrem neuen Vierbeiner eine glückliche Zukunft schenken zu können.
Der Start in eine bessere Zukunft
Für einen Hund aus dem Auslandtierschutz ändert sich mit Ankunft im neuen Zuhause im wahrsten Sinne des Wortes die komplette Welt. Je nach Vorgeschichte, Prägung durch teils traumatische Erlebnisse und Charakter des Hundes, kann die Eingewöhnungsphase im neuen Zuhause unterschiedlich lang dauern und durchaus eine Herausforderung für Hund und Halter werden.
Bei der ersten Begegnung mit Ihrem neuen Familienmitglied ist es wichtig, dass Sie ruhig auf das Tier reagieren. Wilde Liebkosungen und hektische/freudige Bewegungen oder schreiende/aufdringliche Kinder etc. können auf den Hund beängstigend wirken.
Noch sind Sie für ihn eine fremde Person in einer fremden Welt. Er ist sich nicht bewusst, dass er nun „gerettet“ wurde.
Gleiches gilt bei der Ankunft im neuen Zuhause und bei der ersten Begegnung mit Freunden, Familienmitgliedern oder Nachbarn. Laden Sie bitte nicht am ersten Tag Besucher ein, die den Hund begrüßen wollen. Geben Sie ihm Zeit, um in Ruhe anzukommen. Einige ziehen sich erstmal zurück und beobachten die neue Situation, bevor Sie das neue Zuhause erkunden. Andere sind offener und suchen nach einer kurzen Tour durch ihr neues Reich gleich die Nähe zu Ihnen.
Bitte lassen Sie den Hund das Tempo bestimmen!!
Neues Zuhause…
Das neue, sichere Zuhause kann für den Neuankömmling durchaus erstmal irritierend oder gar angsteinflößend sein. Die meisten Hunde kennen es nicht, in einem Haus zu leben und können sich gefangen fühlen.
Geben Sie Ihrem Hund also Zeit, sich einzufinden und lassen keine Türen unbeaufsichtigt offen. Denken Sie auch daran, dass unbekannte Geräusche von Haushaltsgeräten, Fernseher, Türklingel etc. Ihrem Hund mit großer Wahrscheinlichkeit am Anfang Angst einjagen werden. Gewöhnen Sie Ihn langsam daran, auch hier ist Liebe und Geduld das Zaubermittel.
Schaffen Sie dem Hund einen Ruheplatz im Haus, an welchen er sich ungestört zurückziehen kann. Auch Kinder sollten von diesem fern gehalten werden!
Wir können nicht versprechen, dass der Hund von Anfang an stubenrein ist. Auch wenn er dies in der Pflegestelle zuvor war, kann durch die Aufregung durchaus nochmal was daneben gehen. Bestrafen Sie ihn nicht! Achten Sie auf typische Anzeichen und gehen schnell mit ihm (gesichert) raus und loben ihn entsprechend, wenn der Hund sich draußen erleichtert. Bei den meisten Hunden wird das gar kein Problem sein und bei einigen braucht man evtl. etwas mehr Liebe und Geduld.
Sollten Sie einen Hund haben, der nach Ankunft sehr ängstlich ist, sich versteckt und nicht berühren lassen möchte, empfiehlt es sich, Geschirr und eine kleine Leine erstmal angezogen zu lassen. Dadurch ist der Hund bspw. einfacher unter dem Bett, der Kommode o.ä. (vorsichtig) hervorzuziehen, statt direkt nach ihm zu greifen. Das kann auf den Hund bedrohlich wirken.
…neue Umgebung
Noch aufregender werden für den Hund die ersten Spaziergänge, die er vielleicht noch gar nicht kennt (sollte er die Erfahrung nicht schon in einer Pflegestelle gemacht haben). Leine und Geschirr sorgen anfangs auch nicht für Begeisterung. So viele neue Regeln und Zwänge sind für einen Streuner eine große Umstellung. Hinzu kommen eine andere Umgebung, Gerüche, Geräusche und teils völlig neue Erfahrungen, die den Hund verängstigen können. Eine Treppe, Straßenlärm, Rollläden oder die Fahrt im Auto sind für einige Hunde erstmal angsteinflößend. Es kann aber auch sein, dass Ihr Schützling bspw. die Geräusche von Autos, mit einer bekannten Gefahr/Erinnerungen verknüpft und unerwartet panisch reagiert.
Denken Sie daran, Angst/Vorsicht gegenüber Unbekanntem und Flucht haben auf den Straßen Rumäniens das Überleben gesichert!
Wichtig ist, dass man die Signale seines neuen Schützlings rechtzeitig und richtig erkennt, um entsprechend einwirken zu können. Bspw. den Hund am Anfang die Treppe herunter tragen (wenn es sich nicht vermeiden lässt diese zu umgehen).
Neben viel Geduld, Zeit und Liebe sollte man sich bei besonders sensiblen oder ängstlichen Hunden durchaus den Rat eines Hundetrainers einholen. Die richtige Reaktion auf den Hund stärkt das Vertrauen in den Besitzer und damit Ihre Bindung. Je mehr Ihnen Ihr Hund vertraut, desto mehr Ängste wird er mit der Zeit überwinden.
Richtige Sicherung beim Gassi gehen
Das mit Abstand allerwichtigste (mit Ankunft des Hundes) ist die richtige Sicherung! Regelmäßig muss man lesen, dass Tierschutz-Hunde sich losreißen und entlaufen. Einige kamen dabei sogar zu Tode.
Der Hund sollte doppelt gesichert sein und ein spezielles Sicherheitsgeschirr tragen. Ein richtiges Sicherheitsgeschirr hat 3 Gurte und verhindert, dass sich der Hund aus dem Geschirr befreien kann. Viele unterschätzen die Kraft und Beweglichkeit eines in Panik geratenden Hundes. In der Regel schaffen es die Hunde recht leicht, sich in einer solchen aus allen anderen Geschirren und Halsbändern zu befreien!
Zusätzlich zum Sicherheitsgeschirr sollte der Hund ein Halsband tragen und durch 1 Führleine sowie einer Leine mit Bauchgurt gesichert sein. Achten Sie darauf, dass Halsband und Geschirr gut sitzen. Also weder zu fest noch zu locker.
Dreifache Sicherung eines Hundes (mit GPS Tracker)

Die Führleine sollte eine Schlaufe haben, die man um das Handgelenk legt und mit der Hand in die Leine greift. So hat man einen sicheren Griff (siehe Abbildung).
Anfangs empfiehlt sich ebenfalls ein GPS Tracker am Halsband/Geschirr, so dass im Fall der Fälle der Hund geortet werden kann. Dieser sollte insbesondere bei sehr ängstlichen Hunden angebracht werden und nicht nur beim Gassi gehen.
Die doppelte Sicherung sollte solange erfolgen, bis der Hund sich sicher verhält und Sie als Halter sehr gut einschätzen können, wann Ihr Hund wie reagiert.
Im Anschluss empfiehlt sich auf eine etwas längere Schleppleine umzusteigen. Diese bietet den Vorteil, sollte Sie aus der Hand fallen, dass sie geräuschlos über den Boden gezogen wird und man den Hund mit einen Tritt auf die Leine schnell stoppen kann. Von Flexi-Leinen empfehlen wir erstmal abzusehen. Sollte diese aus der Hand fallen/gerissen werden, schlägt sie hart auf und wird mit viel Lärm hinter dem Hund hergezogen. Dadurch könnte sich der Hund erschrecken und versuchen vor ihr zu fliehen.
Im Auto sollte der Hund prinzipiell durch eine Transportbox gesichert werden. So verhindert man nicht nur ein mögliches Ausbüchsen, wenn sich Tür oder Kofferraum öffnen, sondern schützt das Tier auch besser bei einem eventuellen Verkehrsunfall oder intensiverem Bremsmanöver.
Futter
Auf der Straße müssen die Hunde um ihr Futter kämpfen und oftmals auch in den Tötungsstationen. Diese Angewohnheit kann der Hund also auch im neuen Zuhause zeigen und sein Fressen beschützen oder verteidigen.
In Rumänien fressen die Hunde alles was sie finden können und selten gehört dazu Dosen- und Trockenfutter. Von daher kann es durchaus sein, dass Ihr Hund vertrauter mit dem Frühstückbrötchen oder Küchenabfällen ist, als mit richtigem Hundefutter.
Für den Magen und Verdauung des Vierbeiners ist das eine Umstellung. Hinzu kommt noch, dass die Hunde in kurzer Zeit ziemlich viele Medikamente bekommen (Impfungen, mehrere Entwurmungen und Entflohungen etc.), welche insbesondere der Darmflora des Hundes zu schaffen machen.
Generell empfehlen wir, die Hunde mit einem hochwertigen Trockenfutter und 2 x täglich zu füttern. Ein qualitativ gutes Futter erkenne Sie daran, dass es einen hohen Fleischanteil hat (optimal ohne tierische Nebenerzeugnisse) und ohne Getreide hergestellt ist. Auch beim Nassfutter sollte man einen hohen Fleischanteil haben. Soßen und Extras machen das Futter für Ihren Liebling vielleicht leckerer, aber nicht unbedingt gesünder.
Krankheiten und Parasiten
Würmer und Giardien
Unsere Hunde werden vor Vermittlung entwurmt und gegen Flöhe behandelt. Trotzdem ist es möglich, dass insb. bei starkem Wurmbefall ein Restbestand sich hartnäckig hält. Daher empfehlen wir, den Kot des Hundes in den ersten 2 Wochen zu kontrollieren und nochmal eine/mehrere Proben beim Tierarzt untersuchen zu lassen. Ebenfalls kann der Hund Giardien haben. Das sind kleine Einzeller im Dünndarm des Hundes und sie kommen bei den meisten Lebewesen vor. Es handelt sich also in beiden Fällen um kein Phänomen eines Straßenhundes.
Unbehandelt kann der Hund erkranken, was sich in Form von Durchfall, Blut oder Schleim im Kot äußert. Hier sollte unbedingt ein Tierarzt aufgesucht werden.
Aber bitte nicht gleich Panik bekommen, wenn der Hund nach Ankunft Durchfall hat. Durch die Aufregung und evtl. Futterumstellung ist das in der Regel ganz normal und völlig harmlos. Mit ein wenig Ruhe und Schonkost bekommt man diesen schnell wieder in den Griff. Ein bewährtes Hausmittel ist die Morosche Möhrensuppe. Erkundigen Sie sich bitte zur genauen Gabe ggf. auch bei Ihrem Tierarzt.
Mittelmeerkrankheiten
Wie der Name schon sagt, treten diese Krankheiten insbesondere im Mittelmeerraum auf und werden durch Mücken und Zecken verbreitet. Hierzu gehören u. a.: Anaplasmose, Babesiose und Ehrlichiose und Dirofilariose (Herzwürmer).
Keine Sorge, frühzeitig erkannt und behandelt kann Ihr Schützling mit diesen problemlos leben. Wir möchten an dieser Stelle nur darauf hinweisen, da diese nicht bei allen Hundehaltern bekannt sind. Ebenfalls werden unsere Hunde i.d.R. vor Ausreise auf die o. g. Mittelmeerkrankheiten getestet. Trotzdem legen wir Ihnen ans Herz, Ihren Hund in Deutschland ein weiteres Mal zu testen. Spätestens 6 Monate nach Ausreise des Hundes, sollte ein verlässliches Ergebnis vorliegen. Vorher ist dies leider nicht möglich, da die Inkubationszeit (also die Zeit von Infektion bis Ausbruch) 3-6 Monate beträgt.
Sollten Sie zu einem der genannten Punkte Probleme mit Ihrem Liebling haben, stehen wir Ihnen gerne mit Rat und Tipps zur Seite.
Erziehung
Ob pubertierender Welpe, jahrelanger Straßen-, Tierheim-, Handicap- oder Angsthund, alle haben eins gemeinsam: Sie brauchen ein Zuhause mit Liebe, Empathie, Zeit, Geduld aber vor allem auch ein konsequentes Herrchen/Frauchen, das ihnen Sicherheit gibt. Nur so kann es am Ende für alle ein Happy End geben. (Dies gilt übrigens auch für Hunde, die nicht von der Straße kommen! Unsere Schützlinge brauchen dies vielleicht nur ein bisschen mehr.)
Wir teilen natürlich gerne unsere Erfahrungen und stehen auch nach der Vermittlung noch mit Tipps zur Seite. Gleichzeitig legen wir allen Haltern den Besuch einer Hundeschule nahe, insb. denen, die noch nicht ganz so erfahrenen im Umgang mit Hunden sind.
Es gibt viel Literatur zum Thema Hundehaltung. Ein tolles Buch, um die Situation des neuen Familienmitgliedes besser zu verstehen, ist „Die zweite Chance – Hunde mit Vergangenheit“ von Katharina von der Leyn und Inga Böhm-Reithmeier ISBN 978-3-440-15139-6